Konjunkturperspektiven für 2020 von IVH und UVNord: Experten erwarten geringes Wachstum. Verbände fordern von der Politik Rahmenbedingungen für mehr Investitionen, Wachstum und Beschäftigung
Prof. Dr. Henning Vöpel, Direktor, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), und Dr. Hermann-Josef Hansen, Leiter der Abteilung Konjunktur und Wachstum im Zentralbereich Volkswirtschaft der Deutschen Bundesbank, gaben einen Konjunkturausblick auf 2020. Prof. Vöpel erwartet nach einem Jahrzehnt starker Konjunktur, nun an der Schwelle zu "den neuen 20er-Jahren", ein Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent 2020 in Deutschland. Dabei dämpften, so Prof. Vöpel, sowohl internationale Handelskonflikte das Wachstum sowie auch der zunehmend schärfere Strukturwandel im Zuge der Digitalisierung und dem Trend zur Dekarbonisierung. Dr. Hansen rechnet, aus Sicht der Bundesbank, mit einem Wachstum von 1,0 Prozent und weist, angesichts der anhaltenden Nullzins-Phase, auf die derzeit begrenzten Handlungsmöglichkeiten der europäischen Finanzpolitik hin.
Vor mehr als 150 Unternehmern, Politikern und Vertretern des öffentlichen Lebens sprachen auf der Jahresveranstaltung „Konjunkturperspektiven 2020“ von IVH und UVNord ebenfalls die Spitzen der beiden Verbände.
Bild: UVNord-Präsident Uli Wachholtz (v.l.); Dr. Arno Bäcker, Präsident der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein; Prof. Dr. Henning Vöpel, Direktor, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI); Dr. Hermann-Josef Hansen, Leiter Konjunktur und Wachstum im Zentralbereich Volkswirtschaft der Deutschen Bundesbank; Matthias Boxberger, Vorstandsvorsitzender Industrieverband Hamburg (IVH)
Matthias Boxberger, IVH-Vorstandsvorsitzender sagte: „Angesichts einer insgesamt abgeschwächten Konjunktur braucht die Industrie Möglichkeiten, Investitionen, Innovationen und nachhaltiges Wachstum besser voranzubringen. Nur so kann es gelingen, unsere Klimaschutz-Ambitionen bei Erhalt und Ausbau der 120.000 Industrie-Arbeitsplätze in Hamburg umzusetzen. Jetzt ist die Politik mehr denn je gefordert, wichtige Aufgaben endlich voranzubringen, um unsere Industrie wetterfest zu machen. Dazu zählt: Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen sowie nationale Abgaben für heimischen grünen Strom – staatlich induzierte Strompreisbestandteile – so zu reduzieren, dass Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben. Die norddeutschen Bundesländer müssen zudem die mit der Energiewende einhergehenden Chancen besser nutzen, wie es die OECD-Studie zur Metropolregion Hamburg vom 23.09.2019 nahelegt.“
UVNord-Präsident Uli Wachholtz erläuterte in seiner Rede: „Der lange Aufschwung geht zu Ende, die Konjunktur bricht bundesweit ein. Die Parteien und Politik haben leider noch nicht nachhaltig zur Kenntnis genommen, dass der Aufschwung endet. Es muss jetzt um Vorschläge gehen, die mehr Wachstum schaffen und Arbeitsplätze sichern und nicht um Vorschläge der weiteren Umverteilung. Wir brauchen Investitionen in die digitale und analoge Infrastruktur. So muss dem Hammerbrooklyn Digital Campus zügig Leben eingehaucht werden und auch der rechtzeitige Ersatzbau der Köhlbrandbrücke und die zügige Realisierung der Hafenquerspange sind für den Wirtschaftsstandort lebensnotwendig. Es bedarf nicht mehr Regulierungen und Beschränkungen. Wir müssen vielmehr Investitionsbremsen in Genehmigungsverfahren lockern! Investitionen in die Zukunft erfordern Verlässlichkeit – daran müssen wir wieder arbeiten.“
Prof. Dr. Henning Vöpel, Direktor, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut, betont in seinem Expertenvortrag: „Nach einem Jahrzehnt robusten Aufschwungs steht die deutsche Wirtschaft vor einer womöglich längeren Abschwächung der konjunkturellen Dynamik. Die Industrie befindet sich sogar schon seit einiger Zeit in der Rezession. Die geopolitischen Risiken und Handelskonflikte haben auf die Exportwirtschaft durchgeschlagen. Gerade die norddeutsche Wirtschaft muss angesichts des bevorstehenden doppelten Strukturwandels – Digitalisierung und Dekarbonisierung – das Potenzialwachstum durch eine gezielte Standort- und Infrastrukturpolitik stärken. Die Transformation findet derzeit nicht in dem erforderlichen Tempo statt. Es herrscht eine gefährliche Vermögensillusion, die das Ausmaß des Strukturwandels unterschätzt.“
Bild: Die Konjunktur-Experten Prof. Dr. Henning Vöpel (l.), HWWI; und Dr. Hermann-Josef Hansen (r.), Deutsche Bundesbank; im Gespräch mit Mario Spitzmüller (IVH)
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